Schwer Eindruck machte auf uns einmal ein Volkshochschuldozent in einem Kurs – ich glaube zum Thema "Lebendiges Lernen" – mit folgender Aufgabe, die er einem Teilnehmer stellte, der seinen Schreibstift mit nach vorn gebracht hatte: "Versuchen Sie einmal, den Stift auf den Fußboden fallen zu lassen! Bitte tun Sie es nicht, versuchen Sie es nur!" Dem Lehrbeauftragten ging es nämlich darum, "lebendig" zu demonstrieren, wie unsinnig das Wort "Versuch" ist, das der besagte Teilnehmer zuletzt in den Mund genommen hatte. Der war bei dieser Aufgabenstellung ratlos – und das Publikum vom Aufgabensteller gewonnen. Wir nahmen uns angesichts des experimentellen Beweises vor, leeres Stroh wie "Versuch" und "versuchen" möglichst nicht mehr zu dreschen, sondern uns in jeder Lebenslage mit entschiedenem Tun oder entschiedenem Nichttun zu bescheiden.
Dabei wäre es doch so leicht gewesen, einen Gegenbeweis anzutreten. Die besagte Testperson hätte zum Beispiel denselben Stift ins Publikum werfen können, und zwar versuchsweise so, dass ihn jemand fängt. Da hätte unser Lehrmeister aber alt ausgesehen; denn natürlich wäre das ein sinnvoller und ausgeführter Versuch gewesen. Und tatsächlich hatte der Meister selber ja einen Versuch gestartet, nämlich das dahingehende Experiment, ob ihm sein Publikum den Unsinn seiner Versuchsanordnung abnimmt, mittels derer demonstrierbar sein sollte, dass überall nichts versucht werden könnte, sondern alles nur entweder getan oder nicht getan.
Das "Fallbeispiel" unseres Dozenten wäre ebenfalls durchaus ein vollwertiger Versuch gewesen. Der hätte bloß erlaubt sein müssen. Aber die Testperson durfte ihn ja nicht ausführen: "Bitte tun sie es nicht ..." Ausgeführt, gelingt ein solcher Versuch zwar "praktisch" immer. Aber was spricht eigentlich dagegen, ein Tun "Versuch" zu nennen, das so gut wie nie misslingt? Immerhin hätte der VHS-Lehrbeauftragte durch einen Hechtsprung den fallenden Stift fangen können, ehe der auf dem Fußboden landen konnte.
Es ist also ganz in Ordnung, wenn wir weiterhin vieles, was wir tun oder auch lassen, als Versuch kennzeichnen. Ob nicht sogar alles Tun und Lassen sowohl gelingen als auch misslingen kann und es daher immer wieder, wo auch immer, nichts anderes als Versuche gibt? Ich wünsche jedenfalls gutes Gelingen!
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bloggen ... versuchen
Was ich bin? Darauf möchte ich antworten: Enzyklopädischer Essayist. Seit wann ich das bin? Das kann ich gut datieren: Seit 1990. Damals erschien im Augsburger Weltbild Verlag die "Enzyklopädie der Religionen", zu der ich mit -zig kleinen Artikeln beitrug. So richtig in meinem Element war ich anschließend als Mitarbeiter der "Enzyklopädie der Philosophie" (1992), in der ich mich unter anderem an einem Artikel über den lexikalisch noch kaum erfassten Peter Sloterdijk versuchte. Noch tüchtiger loslegen konnte ich nach dem Hinweis eines philosophischen Gesprächskreispartners auf die Wikipedia, die zum Zeitpunkt meines Einstiegs, im Dezember 2002, kaum mehr als zehntausend Artikel zusammenhatte. Begeistert zitierte ich auf meiner Benutzerseite Lodovico Settembrini aus Thomas Manns "Zauberberg": Es handelt sich um ein enzyklopädisches Werk, an dem mitzuarbeiten ein humanitäres Institut mich würdigt ... Kurz, um schöne Arbeit. Besonders schön fand ich die Arbeit an einem langen Artikel über Theodor W. Adorno, pünktlich fertiggestellt zu dessen hundertstem Geburtstag am 11. September 2003.
Eigentlich aber ist die Form von Enzyklopädieartikeln ein zu enger Vogelbauer für meinen essayistischen Eigensinn. Der will sich geräumiger artikulieren. Ich unternahm 2012 noch einen weiteren Versuch in einem Mitmach-Lexikon-Projekt, Pluspedia genannt, wo keine allzu strengen Kriterien für Artikelinhalte angelegt werden. Mittlerweile war ich indessen Blogger geworden und von den Freiheiten, die Autoren auf diesem Betätigungsfeld haben, so verwöhnt, dass ich mich dort in jeder Hinsicht am besten aufgehoben fühlte, auch in enzyklopädischer. Und so geht es mir noch immer. Dann sollen es eben nur Vorarbeiten sein, mit denen ich in Abgeschiedenheit zu einem höchst ausbaufähigen Gemeinschaftswerk anrege, getreu dem Pauluswort: "Unser Wissen ist Stückwerk" (1. Kor 13,9a).
Eigentlich aber ist die Form von Enzyklopädieartikeln ein zu enger Vogelbauer für meinen essayistischen Eigensinn. Der will sich geräumiger artikulieren. Ich unternahm 2012 noch einen weiteren Versuch in einem Mitmach-Lexikon-Projekt, Pluspedia genannt, wo keine allzu strengen Kriterien für Artikelinhalte angelegt werden. Mittlerweile war ich indessen Blogger geworden und von den Freiheiten, die Autoren auf diesem Betätigungsfeld haben, so verwöhnt, dass ich mich dort in jeder Hinsicht am besten aufgehoben fühlte, auch in enzyklopädischer. Und so geht es mir noch immer. Dann sollen es eben nur Vorarbeiten sein, mit denen ich in Abgeschiedenheit zu einem höchst ausbaufähigen Gemeinschaftswerk anrege, getreu dem Pauluswort: "Unser Wissen ist Stückwerk" (1. Kor 13,9a).
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