sein ... sterben

Wie falsch ist jene Rechnung, die zuerst den äußeren Bestand sichern will, um das Andere – vielleicht – dann nachzuholen. / Wo doch die Erkämpfung und Gründung der Wahrheit des Seyns das Einzigwesentliche ist und sei es "nur'"dazu – dem Untergang seine Größe zu geben. (Heidegger-Gesamtausgabe bei Klostermann, Band 94, Seite 339) – Beim Lesen dieser Stelle aus Martin Heideggers "Schwarzen Heften" ist mir beinahe der Witz daran entgangen. Ich habe nämlich nur an 'Volks-Bestände' gedacht, die der Seinsdenker anspricht – die "Überlegung" schrieb er zur Zeit des Nationalsozialismus nieder – und nicht auch an den äußeren Bestand meiner Lebenszeit, den ich zu gerne unendlich erweitern möchte, damit mir alle Zeit der Welt bleibt, um jedes noch so große Ziel zu erreichen.

Aber welches Lebensziel ist denn "groß" oder gar "das größte"? Einen bestimmten Rekord aufstellen? In einem oder vielen Fächern eine Koryphäe sein? So viel Geld haben, dass ich mir "alles leisten" kann? Die Zukunft der Menschheit und des Universums noch erleben? Nicht nur an ferne Orte, sondern auch in die Vergangenheit reisen? Heidegger bringt mit all dem offenbar die "Wahrheit des Seyns" nicht in Verbindung, hält solche Ziele für unbedeutend im Vergleich mit dem "Einzigwesentlichen". Aber was ist das? Noch denke und frage ich: Kann überhaupt irgend etwas wesentlich sein, was mir der Tod, mein "Untergang", am Ende nimmt? Nun gut, er kann mich nicht zum Verlierer machen; denn ich gehe ja selbst durch ihn verloren. Aber in der Zeit davor nimmt mir der Gedanke an ihn jede Idee von einem großen Ziel, das die Mühe lohnt. Der Tod verdirbt mir alles, auch schon der Tod geliebter Menschen, die ich eine Weile überlebe.

Aber dieser Allesverderber hat dann wohl oder übel mit der Wahrheit des Seyns viel zu tun! Heißt das, ich sollte mich mit ihm irgendwie arrangieren? Ihn mir zum Verbündeten machen? Oder besser gesagt – denn er sitzt ja am längeren Hebel –, mich von ihm zum Verbündeten machen lassen? Zu einem NATO-Partner sozusagen? Ich würde kein Risiko eingehen; denn der Tod ist sogar sicherer als die NATO, todsicher eben. – Tut mir leid, Professor Heidegger, ich kann mit dem Tod nichts Sinnvolles anfangen! Soll ich ihn vielleicht gar nicht groß beachten, meine Sterblichkeit einfach auf sich beruhen lassen und sie für eine so natürliche Sache halten wie die Luft zum Atmen? Ach, das geht auch nicht! Ich kann den Tod auf den Tod nicht ausstehen, und deshalb geht er mir nicht aus dem Kopf, psychisch so wenig wie organisch. Ich lege Protest ein gegen diese Wahrheit des Seyns! Bis zuallerletzt will ich eine andere suchen.

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