ahnen ... messen

Im Deutschen bildet man in der Regel ein Zeitwort, ebenso wie die Mehrzahl, durch das Anhängen der Endung "-en" an einen Wortstamm. Ungewöhnlich kurz ist der Wortstamm des Zeitworts "ahnen". Wie etwa bei "bauen", "hören", "rufen" und vielen weiteren Verben sehen wir vor der Endung zwar drei Buchstaben, im Falle von "ahnen" sind es aber eigentlich nur zwei. Das "h" ist nämlich eine überflüssige Einfügung. "Ahnen" stammt tatsächlich von "an" ab, von einem nahezu inhaltsleeren Verhältniswort. Doch wenn das Wörtchen "an" nicht wäre, hätten wir keine "Ahnung".

Wir ahnen etwas, das uns irgendwie angeht und ankommt. So ist buchstäblich ahnungsvoller als eine Meinung eine Ansicht. "An" ist ein Verhältniswort, das vielleicht keine klaren, ordentlichen und gesicherten Verhältnisse stiftet, sehr wohl jedoch nähere, innere, ursprüngliche. Ein Anfang ist ursprünglicher als ein Beginn. Ähnlich wie bedauernswerter als Unwissenheit Ahnungslosigkeit ist. Überhaupt erfassen wir, was einander ähnelt, intuitiv, auf die Weise eines Anschauens, das Begriffe nicht behelligen.

Wir sind wahrlich an etwas dran, sobald und solange wir dem Ahnen das Feld nicht streitig machen lassen. Streitig machen lassen von unangemessenen Messungen, dem vermessenen Zugriff auf das Maßgebende. Dieser treibt überall sein Unwesen, wo das Denken kein anfängliches, kein andächtiges, kein Andenken mehr zu sein vermag, das heißt überhaupt kein Denken mehr. Nichts ahnende Betriebsamkeit.

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